Duft der großen weiten Welt

Einmal mehr bin ich Stadtführerin in der Stadt, in der ich seit Mitte Februar lebe, dieses Mal mit neuen Schwerpunkten, denn jeder Gast ist anders.

Dieser erklärte sogleich, dass er das Land bereisen wolle, nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Bus.

Den Terminal Rodoviário do Jabaquara hatte ich einmal von Ferne gesehen, als mein Mann und ich eines Sonntags mit der Metrô von Jabaquara in die Innenstadt gefahren waren, doch wohin man von dort aus reisen kann und welche weiteren Möglichkeiten es für Reisen innerhalb Brasiliens gibt, war mir nicht bekannt.

 

Also hieß es, sich zu orientieren. Über die Google-Suche war die Internetseite von Socicam (www.socicam.com.br), dem Unternehmen, das unter anderem die drei Busbahnhöfe der Stadt (Tietê, Barra Funda und Jabaquara) betreibt, schnell gefunden.

 

Hier kann der Reisende mit der Suche beginnen: Unter dem Menüpunkt Consulta de Viagens gibt er Ausgangspunkt und Ziel der Reise ein und sogleich öffnet sich eine Seite, die Auskunft über die Anbieter der gewünschten Route, deren Telefonnummern, Internetseite, E-Mail und die Terminals, von denen die Route bedient wird, gibt.

 

Schnell hatte mein preisbewusster Gast den günstigsten Anbieter für die Destination Foz do Iguaçu, im Südwesten des Bundesstaates Paraná, ermittelt. Der Expresso Kaiowa sollte ihn in einer 16 stündigen Nachtfahrt zu einem der touristischen Toppziele des Landes bringen, zum sensationellen Preis von R$ 230 (EUR 103,17) für eine Strecke von insgesamt 2128 Kilometern.

 

Ungelöst bleibt das Rätsel des erheblichen Preisunterschieds zwischen Hin- und Rückfahrt: Für die Hinfahrt verlangte der Anbieter gerade einmal von R$ 80 (EUR 35,88), für die Rückfahrt hingegen R$ 150 (EUR 67,28). Fragt sich, ob die Paulistanos mit dieser Preispolitik ihre Einwohnerzahl senken wollen. Oder – diese Erklärung liegt näher – sie dokumentiert, dass es eine Ehre ist, São Paulo bereisen zu dürfen. Dafür muss man schon etwas tiefer in die Tasche greifen.

 

Wir wollten auf Nummer sicher gehen und haben uns einen Tag vor Reisebeginn zum Terminal Rodoviário Barra Funda, dem ermittelten Ausgangspunkt der geplanten Reise, aufgemacht, nicht zuletzt, um auch den Weg dorthin zu testen.

 

Als wir nach längerer Busfahrt dort eintrafen, waren wir beeindruckt. Da kann sich so mancher Flughafen verschämt verstecken. 40 Tausend Menschen durchlaufen diesen Terminal nahe der Innenstadt täglich. 28 Plataformas (Haltestellen) stehen zum Einsteigen, zwölf zum Aussteigen bereit. 34 Busunternehmen, die 573 Ziele ansteuern, darunter Städte im Bundesstaat Paraná, Sorocaba und Vale do Ribeira im Bundesstaat São Paulo, den Osten des Bundesstaates Goiás, die Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul und Porto Velho, die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Rondônia, sind dort vertreten.

 

Nun hieß es den Fahrkartenverkauf von Expresso Kaiowa zu finden, was aufgrund der guten Ausschilderung die leichteste Übung war. Aufgeregt schritten wir auf den geschäftigen Fahrkartenverkäufer zu, denn wir mussten uns schließlich auf Portugiesisch verständlich machen.

 

Tapfer trug ich unser Anliegen, für den Folgetag ein Ticket nach Foz do Iguaçu erwerben zu wollen, vor. Am Computer konnten wir den Sitzplatz für die Hin- und Rückfahrt auswählen. Dann die Schrecksekunde: Ich hatte die Reisepläne unseres Besuchers nicht vollständig durchdrungen. Der wollte Freitag am Nachmittag (mit Ankunft am Samstagmorgen) fahren, den Tag in Foz do Iguaçu verbringen und am Samstagabend (mit Ankunft am Sonntagmorgen) zurückkehren und ich hatte die Rückfahrt für Sonntag gebucht, da mir tief in meinem Inneren sein Reisepläne offensichtlich nicht nachvollziehbar waren. Also hieß es, die Rückfahrt umzubuchen, was der ausgesprochen charmante Fahrkartenverkäufer mit einem Lächeln erledigte. Auch die im ersten Versuch falsch eingegebene Geheimzahl der Kreditkarte konnte den smarten Mann nicht aus der Fassung bringen.

 

Nachdem wir den Standort der Plataforma, von der der Bus am nächsten Tag starten sollte, ermittelt hatten und zur Vorbereitung das Einstiegsprocedere eines gerade abfahrenden Busses beobachtet hatten, verließen wir den von uns als riesengroß empfundenen Busbahnhof glücklich.

 

Nur vier Tage später stellten wir fest, dass es in der Megacity São Paulo noch größer geht: Wir waren mit Bus und Metrô zum Terminal Rodoviário Tietê gefahren, um eine weitere Busfahrt, dieses Mal nach Rio de Janeiro, zu buchen.

 

Hier bedienen 63 Busunternehmen sage und schreibe 1033 Städte an 72 Abfahrts- und 17 Ankunftshaltestellen. 90 Tausend Menschen bereisen vom größten Busbahnhof Brasiliens aus täglich den Norden, den Nordosten, den Südosten und den Süden des Landes, das Landesinnere des Bundesstaates São Paulo, die Nordküste, die Küste von Espirito Santo, den Bundesstaat Minas Gerais und die Stadt Rio de Janeiro. Auch wer Chile, Uruguay, Paraguay, Argentinien oder Peru bereisen möchte, findet am Terminal Rodoviário Tietê den richtigen Bus.

 

Nicht nur, wenn man den Duft der großen weiten Welt spüren möchte, lohnt es sich, die Rodoviárias Barra Funda und Tietê in das São Paulo-Sightseeing-Programm aufzunehmen, denn das geschäftige Treiben anzusehen, ist wirklich beeindruckend. Und vielleicht bekommt der Ein- oder Andere Lust, auf diese interessante Weise das Land oder den gesamten Kontinent zu erkunden.