Strahlend blauer Himmel, feiner weißer Sand, türkisfarbenes Meer, Palmen, wohin das Auge sieht. So präsentierte sich das Paradies, das wir erobern wollten, am frühen Nachmittag unseres ersten Tages auf der Ilha de Tinharé in Morro de São Paulo.
Wir streiften durch Mangrovenwälder, durchquerten kleine, kühlende Frischwasserzuläufe, die ins warme Meer mündeten. Verzaubert von der Szenerie ließen wir uns treiben, bis wir im wahrsten Sinne des Wortes in den tosenden Wellen trieben, denn die Flut hatte eingesetzt.
Unmerklich war das Wasser angestiegen. Es war knöchelhoch, knietief und schließlich brach eine tosende Welle über mich herein. Mein hünenhafter Mann war todesmutig weiter ins Meer gegangen und hatte so die Felsklippe, die den Übergang vom dritten zum zweiten Strand befestigte, umwandert. Ich stand in der donnernden Gicht und fasste mir, da mir die strategischen Empfehlungen meines Mannes zu risikoreich erschienen, ein Herz und erklomm die Felsen. Und ich habe überlebt, wie diese Zeilen zweifelsfrei belegen. Unsere Kamera leider nicht, so dass wir das Paradies nur unzureichend dokumentieren konnten.
Triefend nass staksten wir auf der kleinen Felsbefestigung entlang, ausgerechnet an der Meerseite eines der Luxusresorts. Cool und nicht im mindesten verwundert reagierten die Wächter dieses Luxuspalastes und wiesen uns den Weg durch das Dickicht, in das wir uns gern schlugen, denn unter uns tobte das tosende Meer und in unserem Aufzug stand uns nicht der Sinn danach, den Caipirinha schlürfenden Gästen des Resorts zu begegnen.
Also durchs Dickicht in die Zivilisation. Wir kämpften mit Ästen, überquerten Baumstämme und durchwateten die inzwischen angeschwollenen zufließenden Flüsse, bis wir Häuser sahen, die scheinbar ins Meer gebaut waren.
Über hohe, glitschige Stufen erreichten wir eine Art Promenade, die von den hohen Wellen umspült war. Anders als die Profi-Wächter, deren Coolness sich mein Mann damit erklärte, dass sie vermutlich jeden Tag durchnässten Wanderern den Weg weisen, konnten sich die Ladenbesitzer in Anbetracht unseres derangierten Zustands ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen.
Erschöpft und glücklich schmiedeten wir bei einem Açaí na tigela (pürierte Açaíbeeren in der Schale) und einem Eis bei Sonnenuntergang am zweiten Strand, dem Ziel unserer ersten Erkundung, Pläne für unser nächstes Abenteuer.
Über einen Trilha, einen Pfad, könnte man an einen einsamen, idyllischen Strand gelangen. Köstlichste Fischspezialitäten könne man dort genießen, erfuhren wir. Abends, zum Sonnenuntergang, könne uns der Gärtner unseres aus zehn Bungalows bestehenden Hotels mit einem kleinen Boot dort abholen. Eine Erkundungstour genau nach unseren Vorstellungen.
Angela, die Besitzerin des bezaubernden Anima Hotels (www.animahotel.com) führte uns, zusammen mit einem ausgesprochen sympathischen britischen Kosmopoliten-Ehepaar, am Strand entlang in ein Dickicht und suchte lange entschlossen nach dem durch den letzten Sturm scheinbar wie weggeblasenen Pfad, der durch rote Bäume gekennzeichnet sein sollte.
Schließlich fanden wir ihn, den Pfad mit den roten Bäumen, und machten uns auf - über Stock und Stein, durch kleine Flüsse und heiße Lichtungen, vorbei an Pferden und Hunden, denen wir mitten in dieser verwunschenen Idylle begegneten.
Das, was wir dann sahen, raubte uns einmal mehr den Atem: Eine kleine traumhaft schöne Bucht, in der sich Fischerboote in den Wellen wiegten und ein strahlend weißer, feiner Sandstrand, an dem fröhliche Kinder in blauen Schuljerseys Fußball spielten, tat sich vor unseren Augen auf. So muss es sein im Paradies, schloss mir durch den Kopf.
Wir schlenderten am Strand entlang, aßen bei Capitão Pipoca köstliche Garnelen und streiften durch das kleine Fischerdorf Garapuá.
Im Sonnenuntergang verließen wir diesen nahezu unberührten Ort. Mit einem viersitzigen Boot glitten wir über das weite, warme Meer in die unwirklich schöne, sternenklare Nacht.
Neben vielen weiteren wundervollen Momenten wird mir auch unsere Rückkehr lange in Erinnerung bleiben. Mit unserem Kombi fuhren wir nach Zimbo und erlebten ein Déjà-vu, denn wir wurden dort von einem gelbgewandeten Mann mit einer Schubkarre erwartet, der uns zum Flugplatz bringen wollte.
Freudig nahmen wir seine Hilfe diesmal an und machten uns auf den Weg. Durch eine kleine Gasse liefen wir zum Strand und über eine Wiese weiter zum Flughafen, der aus einem kleinen Holzhaus und einer Graspiste bestand.
Mit einer sechssitzigen Minuano flogen wir nach Salvador, um von dort nach São Paulo zurückzukehren. Während wir der Skyline entgegenflogen, blickten wir zurück auf den Ort, den wir sicher wieder besuchen werden.