“O inverno na cidade“, Winter in der Stadt

Dienstag: Strahlend blauer Himmel, 32 Grad, die Bäume tragen sattes Grün oder blühen in den schillerndsten Farben. Und dies mitten im Winter, der in der südlichen Hemisphäre vom 21. Juni bis 20. September andauert.

Zuletzt war es nach Angaben des Nationalen Instituts für Meteorologie im Februar so warm. Es herrscht Summer in the City. Seit dem frühen Morgen schwirrt mir der im Sommer 1966 veröffentlichte Hit von The Lovin’ Spoonful im Kopf herum.

So stellte ich mir mein Leben am anderen Ende der Welt vor. Ich war mit Sommergarderobe angereist, denn Mitte Februar herrschte schließlich meteorologischer Sommer in São Paulo.

Zwei leichte Strickjacken, ein dünner Pullover und einige Jeans wären, bis der Container eintrifft, sicher genug an warmer Kleidung, so nahm ich an. Doch diese Annahme war fatal.

 

Ende Mai, während ich unser Apartment für den Einzug vorbereitete, fror ich mich fast zu Tode. Ich kultivierte den Zwiebellook, trug bis zu vier Schichten und entschied mich, von Verzweiflungskäufen abzusehen, denn im Container befand sich schließlich genug warme Kleidung, die mich durch viele harte Berliner Winter gebracht hatte.

 

Drinnen war es meist kälter als draußen, denn zu meiner großen Verwunderung gab (und gibt) es keine fest installierten Heizungen in Brasilien, nicht einmal in unserem Hotel, in dem ich mich nachts, nachdem ich erschöpft aus dem eiskalten Apartment zurückkehrte, in warme Decken hüllte.

 

Eines Tages machte meine Freundin Tereza dem Frieren ein Ende und stellte mir einen Teil ihrer Wintergarderobe zur Verfügung, bis mein Mann aus Deutschland einen Koffer meiner wärmsten Winterkleidung mitbrachte, den ich für unseren Winterbesuch bei meinen Eltern deponiert hatte, denn nie im Leben würde ich diese Kleidungsstücke hier, in der subtropischen Klimazone, benötigen.

 

Unmittelbar nach unserem Einzug, nur wenige Tage nach der Rückkehr meines Mannes, erwarben wir eine Ölheizung auf Rollen. Endlich müssten wir nicht mehr frieren. Doch kaum hatten wir sie in Betrieb genommen, war sie „explodiert“, denn dass die Steckdosen, an denen sie betrieben werden kann, mit 20 Ampere abgesichert werden müssen, war uns nicht bekannt.

 

Mein Mann verbrachte die folgende Woche in Curitiba und ich fror weiter. Dort, so berichtete er, trügen die Mitarbeiter des Unternehmens, das er besuchte, an ihren Arbeitsplätzen Wintermäntel und Schals, manche sogar Handschuhe. Gar nicht so abwegig, dachte ich mir, und zog meine kurzärmelige Daunenweste fortan auch in der Wohnung an.

 

Kaum war mein Mann aus dem klirrend kalten Süden des Landes zurückgekehrt, machten wir uns, nachdem unser Elektriker die Steckdosen umgerüstet hatte, einmal mehr auf den Weg zum Baumarkt, um eine neue Heizung zu erstehen, nicht zuletzt, da sich meine Mutter aus dem sommerlichen Deutschland angekündigt hatte, und wir ihr kein tiefgekühltes Apartment zumuten wollten.

 

Mit ihrer Ankunft waren wir schließlich winterfest, denn sie hatte auf meinen Wunsch hin eine weitere warme Wolldecke und viele Packungen Spitzenkerzen mitgebracht.

 

Mit meiner Mutter kehrten die sommerlichen Temperaturen zurück, die sich, von kleinen meteorologischen Ausreißern abgesehen, hielten. Kein Vergleich zum Winter in Berlin – zu den trüben, dunklen Novembertagen, dem eiskalten Dezember und den ersten Monaten im Jahr, in von der Hoffnung auf Frühling geprägt sind.

 

Mittwoch: Seit gestern Abend regnet es in São Paulo. Unser nahezu freistehendes, schlankes Haus (16. Stock in einem one-per-floor-Apartment) trotzt tapfer dem Wind. Die Wolken hängen teilweise so tief, dass sie die Morumbi-Brücke geradezu verschlucken. Ein weiterer meteorologischer Ausreißer, der uns, inzwischen hervorragend ausgestattet, nichts anhaben kann.

Und schon bald dürfen wir wieder auf 30 oder mehr Grad und strahlenden Sonnenschein freuen. Vom Sommer, der uns erst noch bevorsteht, spreche ich nicht einmal. Auf der Südhalbkugel zu leben, ist ein sonniges Vergnügen.