„Tatort“

Sonntagabend 20.15 Uhr: Der Bildschirm färbt sich rot, blaue Augen blicken auf und sogleich starr geradeaus. Die kalten Augen verändern sich mehrfach, bis um die Iris des rechten Auges ein Fadenkreuz entsteht, aus dem sich der Schriftzug bildet. „Tatort“. 32 Sekunden, die seit dem Abend des 29. Novembers 1970 unverändert jede Woche TV-Geschichte schreiben.

Ich erinnere nicht, wann ich meinen ersten „Tatort“ gesehen habe. Es muss zwischen 1974 und 1980 gewesen sein, denn der elegante Kriminalkommissar Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) ist mir im Gedächtnis geblieben.

Auch an souveräne Kommissarin Hanne Wiegand (Karin Anselm), die von 1981 bis 1988 für den Südwestfunk (heute Südwestrundfunk, SWR), ermittelte, kann ich mich erinnern.

 

Zur Legende geworden ist „Tatort“ mit den Kriminalhauptkommissaren Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik), die zwischen 1981 und 1991 in Duisburg, mitten im Ruhrpott, dem Verbrechen auf der Spur waren. Zwei Kinofilme („Zahn um Zahn“, 1985 und „Zabou“, 1987) und eine eigenständigen Krimi-Serie („Schimanski“ ab 1997), die den beliebten Ermittler mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, unorthodoxen Methoden und Hang zum Milieu in den Mittelpunkt stellte, folgten.

 

In über 40 Jahren „Tatort“ waren bislang insgesamt 102 Ermittler im Einsatz, in 815 Folgen. Die meisten Fälle haben die Hauptkommissare Batic und Leitmayr (Miro Nemec und Udo Wachtveitl) aufgeklärt; in 57 Einsätzen ermittelte das Team vom BR aus München. Den zweiten Platz belegt mit 51 Fällen die SWR-Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Auf den dritten Platz kommen ihre Kollegen aus Köln, die Hauptkommissare Max Ballauf und Freddy Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) mit 47 Fällen.

 

„Wir schauen jeden Sonntag ‚Tatort‘, auch hier in São Paulo“, berichtete Angelika Pohlmann, die Gründerin des „Lar Social Girassol“, als ich sie Ende September zum Frühstück traf, um mit ihr zu eruieren, wie ich sie in ihrer großartigen Arbeit für benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützen könnte.

 

Davon berichtete ich meinem Mann, ebenfalls ein großer „Tatort“-Fan, der unmittelbar mit mir zu Fnac fuhr, um ein HDMI-Kabel zu erstehen, das die volldigitale Übertragung von Audio- und Video-Daten vom Computer auf den Fernseher ermöglicht.

 

Am 25. September 2011 sahen wir schließlich unseren ersten „Tatort“ in São Paulo. Max Ballauf und Freddy Schenk, meine Lieblingsermittler aus Köln, klärten einen Sabotageakt mit tödlicher Folge auf. Was für ein Gefühl: Über 10.000 Kilometer von Deutschland entfernt, konnten wir die dienstälteste deutsche Krimireihe in guter Qualität genießen, ganz so als befänden wir uns noch in Berlin.

 

Nach Berlin führte uns vor einigen Tagen auch unser bislang letzter „Tatort“, den wir traditionsgemäß am Sonntag um 20.15 Uhr sahen. Nicht nur die Kritik echauffierte sich über „Mauerpark“, der die interessanteste Metropole Deutschlands als eiskalte, deprimierende Stadt präsentierte. Noch dazu mit hanebüchener Handlung.

 

Auch wenn nicht jeder „Tatort“ gelungen ist, steht die TV-Legende nun wieder fest auf unserer Agenda, hier auf unserem neuen Kontinent. Und eben nicht nur auf unserer und der von Familie Pohlmann, denn wie ich heute erfuhr, sei „der ‚Tatort‘ ein fester Bestandteil des ‚Expat‘-Lebens“. In manchen Condomínios würde nahezu jeder „Tatort“ sehen. Viele würden gar aufzeichnen und versäumte Episoden untereinander austauschen.

 

Post Scriptum: In der ARD Mediatek steht die aktuelle Episode der Kult-Krimireihe immer sonntags um 20.15 Uhr für eine Woche als Livestream zur Verfügung. Aufgrund der Bestimmungen des Jugendschutzes (die Sendung ist für Jugendliche unter 12 Jahren nicht geeignet) ist das Video jeweils allerdings nur von 20.00-06.00 Uhr verfügbar. Für ein störungsfreies TV-Vergnügen, empfiehlt sich, die „mittlere“ Qualität zu wählen.