Brasiliens Schuhproduzenten steigerten laut des Branchenverbands Abicalçados ihre Produktion 2010 um 5,5 Prozent auf 893,4 Millionen Paare und lagen damit hinter der Volksrepublik China und Indien auf dem dritten Platz weltweit.
Hinzu kam der Import von 536,8 Millionen Paaren, vorwiegend aus anderen südamerikanischen Ländern und aus Europa.
Ausgeführt hat Brasilien dagegen nur 148 Millionen Schuhe. Folgerichtig standen in Brasilien im Jahr 2010 ganze 1.288 Millionen Paare, also etwas mehr als sechs Paar Schuhe pro Einwohner und Jahr, zur Verfügung.
Produziert wurden 487,4 Millionen Schuhe aus Plastik, 252,7 Millionen Lederschuhe, 88,2 Millionen Sportschuhe und 65,6 Millionen Paar Schuhe aus anderen Materialien. Größte brasilianische Produzenten sind die Firmen Vulcabrás/Azaleia, Grendene, Paquetá, Ramarim und Piccadilly.
Laut der Associação Brasileira de Lojistas de Artefatos e Calçados (ABLAC) gibt es in Brasilien 28.045 Schuhgeschäfte, 7.709 davon befinden sich im Estado de São Paulo. Damit liegt der Bundesstaat – und damit vermutlich auch die Megacity – auf Platz eins, gefolgt von Minas Gerais, dem nach São Paulo bevölkerungsreichsten Bundesstaat, der allerdings knapp 4.000 Geschäfte weniger verzeichnet.
Gefühlt liegt die Zahl für die Megacity weit höher, denn beispielsweise allein im Morumbi Shopping, einem Einkaufscenter mittlerer Größe, liegt die Zahl der Schuhfachgeschäfte allein für Damen bei 17. Hinzu kommt, dass praktisch jedes Bekleidungsgeschäft Accessoires passend zur Kleidung verkauft - von Schuhen über Taschen bis hin zu Gürteln und mehr.
In Brasilien legt man Wert auf die äußere Erscheinung, mehr als in Deutschland und deutlich mehr als in Berlin, der Stadt, in der ich lange gelebt habe. Styling, Fashion und Accessoires präsentieren sich meist in Vollendung. Selbst beim Sportoutfit, das die Brasilianerin häufig am Wochenende zum Gang in die Padaria, die Bäckerei, wählt, stimmt jedes Detail.
An heißen Sommertagen trägt die stylische Paulistana auf diesen Wegen auch gern Havaianas, Flip-Flops, den brasilianischen Exportschlager im Bereich Schuhwerk, an die ich mich nur mühsam und mit einigen Schmerzen gewöhnt hatte.
Fortan trug ich sie allerdings mit Freude, denn das subtropische Schuhwerk federt fantastisch auf den desolaten Bürgersteigen und trotz jedem noch so starken Regenguss. Perfekt für jeden, der wie ich, fast täglich weite Strecken zu Fuß zurücklegt.
Bis zu einer Begebenheit, die mich das Thema Schuhwerk neu reflektieren ließ: Nachdem ich einen Besucher bis zum Nachmittag durch die gesamte Innenstadt geführt hatte, schlug der vor, eine Galerie in Jardins, einem mondänen Bezirk der Stadt, zu besuchen. Eine Freundin sei bekannt mit dem Galeristen und habe einen kurzen Besuch angeregt.
Wir machten uns also auf und begannen mit einem Galerierundgang. Keiner, aber wirklich keiner der vier Anwesenden schenkte uns Beachtung. Im schattigen Hof warteten wir geduldig, bis der Galerist sein Telefonat beendet haben würde. Nach ungefähr zwanzig Minuten wurde dem Besucher die Missachtung jedoch zu viel, er wollte gehen. Ein solches Verhalten sei nicht üblich, erklärte ich entschuldigend, und versuchte den enttäuschten Besucher von der ausgesprochenen Freundlichkeit und Zugewandtheit der Brasilianer zu überzeugen.
Als ich in meinem Umfeld von diesem Vorfall berichtete, kam unmittelbar die Frage nach unserer Kleidung auf: Shorts, ein T-Shirt beziehungsweise Polohemd und, für die langen Strecken, Havaianas. Das erkläre alles, äußerten die Befragten einhellig, denn gerade in Gegenden wie Jardins sei ein entsprechendes Outfit angeraten. Hier sei man eher versnobt.
Ich begann, das Schuhwerk der Damen genau unter die Lupe zu nehmen: Auch wenn die Kautschukschuhe, ursprünglich nahezu ausschließlich von weniger Begüterten getragen und als lange Zeit als “chinelos de pobre”, Hausschuhe der Armen, bekannt, um die Jahrtausendwende herum durchaus salonfähig und zum Modeartikel wurden, werden die klassischen Havaianas doch eher zum Gang in den Salão de Beleza, zum kurzen Einkauf um die Ecke oder am Strand getragen.
Ich beschloss aufzurüsten, auch wenn ich aufgrund meiner sehr europäischen Schuhgröße bereits zwei glücklose Versuche, mein Sortiment an Sommerschuhen aufzustocken, hinter mir hatte. In beiden Fällen hatte ich mich zu Schuhen in Größe 39, einer deutschen 40, überreden lassen, da Zwischengrößen hier leider unbekannt sind, die Auswahl bereits in Größe 39 sehr übersichtlich ist und ich aus der Nummer 40 beim Probieren häufig herausgeschlüpft war.
Bei Shoestock, einem beliebten Schuhgeschäft mit großem Sortiment, wollte ich mein Schuhproblem lösen. Kaum hatte ich das Fachgeschäft betreten, erlitt ich einen ersten Schock, bis ich den Bereich für die Größen 39 und 40 entdeckte, denn die Regale des Hauptbereichs endeten mit Schuhgröße 38. Einmal mehr erschütterte mich auch die Auswahl, denn das Gros der Schuhe war unendlich hoch, anders als in Deutschland, wo die Absatzhöhe in der Regel zwischen drei und acht Zentimeter beträgt.
In Brasilien trägt Frau gern High Heels mit geradezu schwindelerregend hohem, oft dünnem Absatz, meist über zehn Zentimeter. Das verwundert wenig, denn die sehr körperbewussten Brasilianerinnen sind im Durchschnitt nur 161,1 Zentimeter groß, im Unterschied zu deutschen Frauen, die statistisch gesehen 5,6 Zentimeter größer sind.
Ich probierte zahllose Modelle, auch High Heels, selbst wenn sie für mich nicht praktikabel sind, denn anders als Demi Moore, die einem Reporter auf der Fashion Week in New York auf die Frage, wie sie das Leben auf High Heels meistere, lapidar antwortet: „Schau, ich sitze schon“, laufe ich zu viel für das delikate Schuhwerk.
Nach ungefähr einer Stunde, denn ich wollte nicht erneut das Risiko eingehen, die Schuhe nicht tragen zu können, verließ ich das Geschäft mit einem Paar Peep-Toes mit ganzen fünf Zentimetern Absatz und mit wunderbar bequemen Rasteiras, der eleganten Variante der legendären Havaianas, aus Leder, besetzt mit funkelndem Strass.