Es regnete in Strömen. Ich genoss die Wärme des Apartments, entspannte und wunderte mich, dass mein Mann nach 22.00 Uhr noch immer nicht zuhause war, als plötzlich das Telefon klingelte. Ohne jede Begrüßung sagte er: „Bitte ruf sofort meine Assistentin zuhause an. Ich erreiche sie nicht. Sie geht nicht an ihr Handy. Das Tor geht nicht auf. Ich komme hier nicht raus“. „Klar, mache ich“, erklärte ich, denn Nachfragen, das spürte ich, waren nicht angezeigt.
Ich rief also bei seiner Assistentin an und schilderte den Sachverhalt, soweit ich ihn verstanden hatte. „Da kann ich jetzt leider nichts machen“, sagte die überraschte Mitarbeiterin. Heute wurde der Sensor des Eingangstors ausgewechselt. Ich habe die Fernbedienung Deines Mannes geprüft. Sie hat einwandfrei funktioniert“, erklärte sie weiter.
Unerklärlicherweise war mein Mann dennoch auf dem Firmengelände eingesperrt. Ohne weiter über die Ursachen und mögliche Maßnahmen zu seiner Befreiung zu philosophieren, bat ich sie, ihn sofort anzurufen. Nachdem wir aufgelegt hatten, harrte ich der Dinge. Ihn nochmals anzurufen, schien mir nicht angeraten. Lieber sollte er sich voll auf die Problemlösung konzentrieren.
Inzwischen war es 22.45 Uhr. Ich lauschte dem Regen, der erbarmungslos niederprasselte, als mein Mann tropfend nass zur Tür hereinkam. Fluchend verschwand er in sein Arbeitszimmer.
Ich folgte ihm. Noch bevor ich ihn erreichte, war ein Knall zu hören. Er hatte, das erschloss sich mir später, seine Schuhe in die Ecke geworfen und war dabei, die völlig durchnässte Kleidung abzulegen.
Vorsichtig fragte ich, was denn genau geschehen sei, in der Hoffnung, dass er sich, wenn er sich den Frust von der Seele geredet hätte, etwas beruhigen würde.
Gegen kurz vor 22.00 Uhr, so erfuhr ich schließlich, wollte mein Mann sich auf den Heimweg machen. Wie üblich fuhr er mit dem Auto zum Tor und betätigte die Fernbedienung. Doch nichts geschah. Das Tor blieb verschlossen.
Er stieg aus und testete die Fernbedienung, indem er sie unmittelbar an den Sensor hielt. Das Tor bewegte sich nicht einen Millimeter. Der Regen donnerte auf ihn nieder, er nahm den Schirm aus dem Kofferraum und versuchte im Licht des Autoscheinwerfers weiter, das Tor öffnen. Ohne Erfolg.
Schließlich verständigte er die beiden Mitarbeiter, die sich ebenfalls noch auf dem Gelände befanden. Gemeinschaftlich machten sie sich ans Werk. Doch auch die Fernbedienungen der Kollegen funktionierten nicht. „Kannst Du Dir das vorstellen?“, fragte er, noch immer aufgebracht. Ich tröstete ihn, denn das, was er nach diesem vierzehnstündigen Arbeitstag erlebt hatte, möchte keiner erleben, schon gar nicht bei heftigstem Regen.
Während sich die drei Eingeschlossenen an Tor und Sensor zu schaffen machten, rief die Assistentin, wie vereinbart, auf dem Handy meines Mannes an. Nach einem kurzen Austausch übergab er das Telefon an den männlichen Kollegen und arbeitete weiter an der Problemlösung. Die drei sollten versuchen, das Tor manuell zu öffnen, schlug die Assistentin vor. Gesagt, getan. Und tatsächlich: Das Tor ließ sich mit einigem Kraftaufwand öffnen. Endlich!
Mein Mann, der einfach nur noch nachhause wollte, verabschiedete sich von den Kollegen, setzte sich ins Auto und startete. Doch der Motor blieb stumm. Sofort begriff er, dass die Arbeiten unter Scheinwerferlicht die Batterie dahingerafft hatten. Das nun auch noch. Missmutig machte er sich, mit seinem Regenschirm bewaffnet, kurzerhand zu Fuß auf den Heimweg.
Schlimmer geht’s nimmer, möchte man denken. Doch weit gefehlt. Zahlreiche Straßen und Bürgersteige auf dem im Idealfall zehnminütigen Fußweg waren unterspült, so dass es ihm nicht erspart blieb, Pfützen weiträumig zu umgehen oder zu überspringen.
Nachdem er sich schließlich seiner völlig durchweichten Kleidung entledigt und seine Schilderungen beendet hatte, ging es ihm geringfügig besser, bis zum nächsten Morgen, der weitere Katastrophen bereithielt.
Wir schreiben Mittwoch, den 6. Juni 2012. Es ist 6.30 Uhr. Noch immer regnete es in Strömen. Um 10.00 Uhr hat mein Mann einen Termin in Jardins, einem Stadtteil, der mit dem Auto im Idealfall in zwanzig Minuten zu erreichen ist. Doch das Auto steht in der Firma, lahmgelegt, ohne funktionierende Batterie.
Ob ich Taxi bestellen soll, frage ich. Eine gute Idee. Mein Mann, an dessen Nerven das zurückliegende Erlebnis gezehrt hatte, ist dankbar, dass ich mich der Sache annehmen will.
Ich beginne mit Senhor Claudinei, dem Taxifahrer, der regelmäßig für die Firma meines Mannes fährt. Es sei noch so früh, erklärt der, er könne nicht sagen, wo er zu diesem Zeitpunkt sein werde und ob er den Auftrag übernehmen kann. Zu schade.
Nun versuche ich mein Anliegen bei Ligue Taxi, einem Taxifunk, zu platzieren. Als ob dies zu übersehen wäre, erklärte die Disponentin, dass das Wetter sehr schlecht und die Verkehrssituation höchst angespannt sei. Eine Stunde vor Fahrtantritt könnten Reservierungen entgegengenommen werden. Eine Garantie, dass dann ein Fahrer zur Verfügung stünde, könne sie allerdings nicht geben. Wirklich bedauerlich und nicht ohne Risiko.
Vielleicht kann „mein“ Taxifahrer vom nächstgelegenen Ponto, dem Taxistand, helfen. Leider nicht, erklärt der, denn er sei weit entfernt und könne nicht garantieren, dass er rechtzeitig zurück sei.
Die Uhr tickt und die Miene meines Mannes wird finsterer als der Himmel. Ich wähle nun die Nummer des Pontos. Als auch da keiner abhebt, bittet er mich, die Assistentin anzurufen.
Inzwischen ist es 8.23 Uhr. Ich erreiche sie nicht gleich, doch sie ruft unmittelbar zurück und verspricht, ein Taxi aufzutreiben.
Wenig später das Update. Sie habe zehn Pontos angerufen und nicht einen Taxifahrer erreicht. Mein Mann ist bedient. Er bittet mich, die Absage des Termins zu veranlassen und macht sich bei strömendem Regen einmal mehr zu Fuß auf den Weg ins Büro.
Zwölf Stunden nachdem die Widrigkeiten des Alltags ihren Anfang genommen hatten, ruft mein Mann von dort an, entspannt und fröhlich. Wir verabreden uns zum Mittagessen und ich bin beeindruckt, wie schnell die zurückliegenden Ereignisse abgehakt sind.