Ich war im Taxi unterwegs zu einem Termin, als plötzlich mein Telefon klingelte. „Fahr doch bitte, wenn Du fertig bist, zu meiner Assistentin“, sagte mein Mann durch einen Geräuschteppich von klapperndem Geschirr, klirrenden Gläsern und Stimmen in unterschiedlichster Tonlage. „Sie soll einen Flug für Dich buchen, am besten heute um 19.00 Uhr, meinen Rückflug auf Sonntag umbuchen, das Hotel verlängern und Dich dort als zweiten Gast melden“, führte er, gegen die Geräuschkulisse kämpfend, freudig aus. „Es ist so schön hier“, erklärte er. „Der… Fenster… großartig…“. „Ich verstehe Dich nicht mehr“, rief ich so laut ins Telefon, dass sich der Taxifahrer irritiert umschaute. Die Leitung knackte und brach ab. Nach dem Termin würde ich ihn erneut anrufen, spätestens, wenn ich im Büro wäre.
Dort angekommen, fragte ich Cristina, seine Assistentin, sogleich, ob er in der Zwischenzeit angerufen habe. „Nein, wir haben am Vormittag zuletzt telefoniert“, berichtete sie. „Du wirst es kaum glauben. Er möchte, dass Du für mich einen Flug nach Rio buchst, noch heute“, erklärte ich und gab die Detailplanung weiter. „Wie schön, das wird sicher toll. Ich freue mich für Euch“, sagte Cristina begeistert, während sie die Buchungsunterlagen meines Mannes heraussuchte und die Internetseiten der Fluggesellschaft öffnete. Gegen 15.00 Uhr verabschiedete ich mich und trat den Heimweg an, denn schließlich musste ich noch packen.
Eilig begann ich, unterschiedliche Stapel anzuordnen. Während ich Shorts und Shirts für meinen Mann, der nur mit Business-Outfits gereist war, zusammenstellte, klingelte das Telefon. „Ich kann den 19.00-Uhr-Flug nicht buchen“, berichtete Cristina besorgt. „Es könnte sein, dass Du erst um 20.00 Uhr fliegen kannst“, erklärte sie. „Das ist kein Weltuntergang. Schau einfach, dass Du den frühestmöglichen Flug buchst. Ich bin ohnehin noch beim Packen“, erklärte ich kurz, widmete mich meiner eigenen Kleidungswahl und begann, den Weekender zu bestücken, wohl mit etwas zu viel Optimismus, denn nachdem ungefähr die Hälfte eingepackt war, war der voll. Also packte ich alles wieder aus und füllte unsere Wochenendoutfits eilig in eine größere Reisetasche um.
Kaum war ich fertig, rief mein Mann an, was dazu führte, dass ich einmal mehr umpacken musste, denn er hatte klare Vorstellungen, welche Kleidungsstücke ich für ihn einpacken sollte.
Während ich das Gepäck in den Flur trug, rief Cristina erneut an. „Du kannst Dir nicht vorstellen, wie kompliziert die Buchung war. Ich habe den Prozess tausendmal wiederholt. Als ich selbst den Flug um 20.00 Uhr nicht buchen konnte, habe ich das Reisebüro angerufen. Unsere Ansprechpartnerin hat mir dann erklärt, dass Endkunden nicht so kurzfristig buchen können. Nur Reisebüros habe noch unmittelbar vor Reiseantritt Zugriff“, erklärte sie atemlos. Aber jetzt sei das E-Ticket da. Sie habe es mir eben, um 16.53 Uhr, geschickt. Nun hieß es, schnell das Ticket auszudrucken, Kamera und Ladegerät, für meinen Mann die wichtigsten Reiseutensilien, in der Fototasche zu verstauen und hinunterzugehen, denn der Taxifahrer, den Cristina in der Zwischenzeit bestellt hatte, würde mich um 17.00 Uhr abholen.
Warum ich denn nicht selbst angerufen hätte, fragte Senhor Rafael, der Taxifahrer, dessen enttäuschte Mine sich erst wieder aufhellte, als ich ihm glaubhaft versicherte, dass ich jede Sekunde für die Vorbereitung meines Express-Abenteuers gebraucht hätte. Ob ich schon einmal in Rio gewesen sei, wollte er wissen. Eine knappe Woche nach meiner Ankunft in Brasilien sei ich mit meinem Mann, seinem Chef und dessen Ehefrau schon einmal dort gewesen, berichtete ich.
Wie ich denn die Carioca, die Bewohner Rio de Janeiros, fände, fragte er daraufhin scheinbar beiläufig. Vorsicht Falle, ging es mir durch den Kopf, denn über die Rivalität zwischen der Megacity und der einstigen Hauptstadt, hatte ich viel gelesen und gehört.
„São Paulo erinnert mich in vielerlei Hinsicht an das dynamische New York, Rio eher an die mondäne Westküste der Vereinigten Staaten. In der Megacity arbeiteten die Menschen sehr viel, in Rio hätte man den Eindruck, dass sich alles auf den Strand fokussiert.
Ein seliges Lächeln erfüllte das Gesicht des stolzen Paulistanos. Unbestritten, die Landschaft sei schön, doch São Paulo habe so viel mehr zu bieten als die Stadt am Zuckerhut, erklärte er, als mein Mann anrief, um die Adresse des Hotels durchzugeben. „Die Avenida Nossa Senhora de Copacabana ist nicht weit vom Flughafen Santos Dumont entfernt“, erklärte er nach meinem Telefonat, das er aufmerksam verfolgt hatte, kundig. Doch ich müsse mich vorsehen vor den Taxifahrern in Rio. Das seien alles Halsabschneider. Ich müsste ganz entschieden auftreten, sonst würde ich über den Tisch gezogen. “Leve me para a Avenida Nossa Senhora de Copacabana”, sollte ich sagen, und genau darauf achten, ob der Taxameter angeschaltet sei, erklärte der Mann mit Beschützerinstinkt. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste ich darauf bestehen: “Ligue o taxímetro”. Beide Sätze ließ mich der besorgte Paulistano mehrfach wiederholen, in Sorge, dass ich als Touristin entlarvt werden und skrupellosen Cariocas zum Opfer fallen könnte.
Am Aeroporto de Congonhas, dem innerstädtischen Flughafen der Megacity, angekommen, schloss mich Sr. Rafael fest in seine Arme. Ich solle gut auf mich aufpassen und wohlbehalten zurückkommen! Ob die Cariocas tatsächlich so brandgefährlich waren, bleibt zu berichten.