Barra do Una oder eine Meisterköchin kann überall kochen

„Möchtet Ihr uns am Wochenende zum Grillen am Strand begleiten?“, fragte die Meisterköchin freudig, die, wie sich herausstellte, nicht etwa an die Sonnenexposition unserer winterblassen teutonischen Körper, sondern vielmehr an die gemeinschaftliche Zubereitung köstlichen Grillguts an einem nahegelegenen Strand dachte.

Das klang nach Abenteuer. Ich würde mit meinem Mann über diese außergewöhnliche Einladung sprechen und mich dann wieder melden, erklärte ich.

 

„Ein guter Plan“, sagte der begeistert, „lass uns das machen. Biete doch den beiden an, dass ich das Fahren übernehme, denn darüber hinaus können wir aufgrund fehlender Ausstattung nicht wirklich etwas beitragen“, erklärte er weiter. Gesagt, getan. Ich verabredete mit der Meisterköchin, dass wir sie und ihren Mann am darauffolgenden Samstag um 8.00 Uhr abholen würden. Um diese Zeit sollten wir, ohne größerem Verkehrschaos ausgeliefert zu sein, problemlos zur Litoral Norte gelangen.

 

Wir waren im vergangenen November schon einmal in Barra do Una, an dieser bezaubernden Küste, gewesen, unglücklicherweise um einen Feiertag herum, was wir insbesondere am Rückreisetag, dem Tag der Proclamação da República, dem Ausrufen der Republik, sehr bereuten, denn die Orte an der Küstenstraße BR 101 sind für die Paulistanos das Naherholungsgebiet Nr. 1. Nun würden wir eine Woche vor dem Dia da Independência Brasil, dem Unabhängigkeitstag Brasiliens, fahren und zwar zeitig am Morgen.

 

Wir sollten in die Tiefgarage fahren, hatte die Meisterköchin vorgeschlagen, damit wir alles problemlos einladen könnten. Ein kluge Idee, denn allein das Volumen der zu befördernde Ausrüstung war beachtlich. Zwei große Klappstühle, zwei in Schultertaschen verstaute Campingstühle, einen großen Sonnenschirm, der, wie wir erfuhren, auch als Regenschirm gute Dienste leistet, einen Tisch, einen raffiniert verpackten Grill, eine prall gefüllte Faltbox, eine zweite Strand- und eine Kühltasche galt es, in unserem Auto unterzubringen. Wären die in den Kofferraum ragenden Lautsprecher nicht gewesen, hätte der erste Beladungsversuch glücken können. Doch genau die knapp zehn Zentimeter, die die Boxen beanspruchten, fehlten uns. Eine neue Strategie, mit der Kühltruhe in der Mitte der Rückbank, führte schließlich zum Erfolg. Nun könnte es losgehen.

 

Mein Mann drehte den Zündschlüssel. Nichts geschah. Er probierte es erneut. Wieder nichts. Das darf nicht wahr sein, dachte ich in diesem Moment. Nun sitzen wir in diesem gerade mühlevoll gepackten Auto und es sieht ganz danach aus, als wäre das Abenteuer vorbei, noch bevor es wirklich begonnen hat.

 

Kurzerhand öffnete der Mann der Meisterköchin sein eigenes Auto, fuhr vor und verband das Starthilfekabel mit unserer Batterie. Wenn sich unser Auto starten ließe, wäre die Batterie durch die längere Strecke wieder aufgeladen. Sekunden später surrte der Motor wieder gleichmäßig. Das hätte auch anders ausgehen können.

 

Nach rund zwei Stunden hatten wir unser Ziel erreicht, zugegeben nicht ganz ohne Probleme, denn das Navigationssystem bescherte ob des von mir falsch erinnerten Ortsnamens Barra da Una keinen Treffer. Ich schlug vor, Bertioga einzugeben. Von dort aus würde ich den Weg finden.

 

Bertioga lag inzwischen hinter uns, ohne dass wir ein Hinweisschild für Barra do Una gesehen hatten. Mein Mann wurde unruhig. Ob es dort am Strand ein WC gäbe, wollten die Mitreisenden wissen. Soweit ich mich erinnerte, gäbe es eines, erklärte ich, woraufhin mein Mann Zweifel anmeldete. Wenn ich bezüglich der Existenz des WCs so sicher sei wie mit der Einschätzung, dass unser Ort sofort hinter Bertigo läge, dann stünde einiges zu befürchten. Kaum waren diese Worte ausgesprochen, tauchte am rechten Straßenrand das Hinweisschild für Barra do Una auf. Noch 19 Kilometer. Da muss ein WC-Häuschen gewesen sein, dachte ich bei mir.

 

Innerhalb des Ortes dirigierte ich meinen Mann souverän an unser Ziel. Wie die anwesenden Herren vermuteten – und sich später herausstellten sollte – hätte es einen direkteren Weg gegeben, doch ich entschied mich für die bekannte Route. Sicher ist sicher.

Wir parkten an der Kirche und liefen in Richtung Strand. Dreißig Meter müssten wir zurücklegen, hatte ich geschätzt. Während wir unseren Erkundungsspaziergang unternahmen, wurde mir allerdings sofort klar, dass ich mich wohl etwas verschätzt hatte. Richtig gelegen hatte ich aber in der Beschreibung des malerischen, in einer Bucht gelegenen Strandes.

 

Die Mitreisenden nahmen es sportlich, auch, dass sich das WC nicht unmittelbar am Strand, sondern in einem Kolonialwarengeschäft an der Kirche befand. Nun müsse die Ausrüstung etwas weiter getragen werden und so weit sei das WC nun auch nicht entfernt.

 

Kaum waren Tisch, Stühle und Sonnenschirm aufgebaut, wurde die vorbereitete Vorspeise serviert: Zwei Sorten Nachos mit Guacamole und Hummus. Die Getränke dazu wurden in silbernen Bechern gereicht.

 

Das Hauptgericht und dessen Zubereitung präsentierten sich als echtes Erlebnis. Nachdem der kleine Gasgrill in Betrieb genommen war, wurde die Wokpfanne positioniert. Als das Olivenöl erhitzt war, wurden Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, zerkleinerte Chilischoten und Curry hinzugegeben. Darauf folgten Möhren, Kohlstreifen, Zucchini und Erbsenschoten. Ganz gegen ihre Gewohnheit hatte die Meisterköchin das Fleisch, mariniertes kleingeschnittenes Pernil (Schweinkeule), das anschließend in den Wok gegeben wurde, fertig zubereitet auf dem Markt erstanden. Vor dem Würzen mit Salz, einer zweiten Prise Curry und Sojasauce, kamen nun Sojasprossen hinzu. Fertig. Wir verspeisten das asiatische Gericht auf Porzellantellern, stilecht mit reich verzierten Stäbchen.

 

Die Meisterköchin hatte wirklich an alles gedacht. Nach dem Essen wurde die original römische Espressomaschine Maschine in Betrieb genommen. Italienischer Espresso und amerikanische Cookies rundeten das kulinarische Erlebnis vor atemberaubender Kulisse ab.