Als ich erschöpft und überglücklich von meinem aufregenden Fototermin in der Zona Leste zurückgekehrt war und meine E-Mails abrief, kam mir spontan der Gedanke, dass dieser Tag wohl mein Glückstag sein müsste, denn wider Erwarten hatte ich Post von der Prefeitura, der Stadtverwaltung, erhalten. Meiner schriftlichen Anfrage nach den Aktivitäten in den Bereichen Natur und Umweltschutz hatte man sich dort tatsächlich angenommen.
Eine Mitarbeiterin des Atendimento ao Cidadão, dem Bürgerservice der Secretaria do Verde e Meio Ambiente, empfahl mir, mit einer der drei Gärtnereien der Prefeitura Kontakt aufzunehmen, um mich über die Maßnahmen der Prefeitura zu informieren. Da war er wieder, der Viveiro Manequinho Lopes, den mir Heloisa, die Sprachlehrerin, vor einiger Zeit bereits ans Herz gelegt hatte.
Die Informationen zur zweiten Gärtnerei, dem Viveiro Arthur Etzel, ließen mich schmunzeln, denn der befände sich im Parque do Carmo, den mir der Gründer der Hilfsorganisation wenige Stunden zuvor als die große öffentliche Grünfläche der Zona Leste aus der Ferne gezeigt hatte.
Auch könne ich den dritten Viveiro, benannt nach dem deutschen Botaniker und Pflanzensammler Harry Blossfeld (1913-1987), der in Südamerika tätig war, in der Zona Oeste besuchen.
Spontan entschied ich mich für den Viveiro Manequinho Lopes, die pragmatische Lösung, denn Abenteuer hatte mir der III Prêmio de Fotografia 2012 bereits genug beschert. Noch dazu hatte ich eine Art Garantie, dass der Viveiro Manequinho Lopes interessante Motive bieten würde, denn meine eher nüchterne Sprachlehrerin war geradezu ins Schwärmen geraten war, als sie von der im Parque Ibirapuera gelegenen Gärtnerei berichtet hatte.
Um mir selbst ein Bild zu machen, beschloss ich, meinen Mann am Feiertag, eine Woche vor Ablauf der Wettbewerbsfrist, mit einer kleinen Fotosafari in den Viveiro Manequinho Lopes zu lotsen. Fotografieren würde ich nicht können, denn es fehlten die Protagonisten, die Menschen, die das Grün in die Stadt bringen, die dort ausschließlich von Montag bis Freitag in der Zeit von 7.00 bis 16.00 Uhr arbeiten.
Wie so oft wirkte das Stichwort Fotosafari Wunder, trotz des bedrohlich bedeckten Himmels, der sich auf dem Weg immer weiter verdunkelte. In der Zivilisation bestens orientiert – geradezu als sei mir ein GPS eingepflanzt – verlässt mich in der Natur leider nur zu oft die Fähigkeit, mich zurechtzufinden, was dazu führte, dass wir, trotz Beschilderung, an der Abbiegung, die uns zum Ziel geführt hätte, vorbeiliefen und längere Zeit durch den weitläufigen Park irrten. Mit dem Regen trafen wir an der Gärtnerei ein und fotografierten begeistert, trotz widriger Umstände.
Die waren ideal, als ich drei Tage später für mein drittes Motiv am gleichen Ort eintraf. Dass ich gleich das erste Foto auswählen würde, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Sicher ist sicher: Obwohl ich sieben weitere Arbeiter portraitierte, waren die Bilder dank eines sehr aufgeschlossenen Vorarbeiters, der mich herumführte, in nicht einmal einer Stunde im Kasten. Nun müsste ich die schnellstmöglich entwickeln lassen. Kein Problem, schließlich hatte ich noch vier Tage bis zum Abgabeschluss.
Weit gefehlt, wie ich am gleichen Abend realisierte, denn neben den drei Fotos, einer DVD und Kopien mehrerer Dokumente, sollten ein Lebenslauf zur Veröffentlichung und ein “breve release do trabalho”, ein Text zur fotografischen Arbeit, eingereicht werden – selbstverständlich auf Portugiesisch.
Die Teilnahme am III Prêmio de Fotografia 2012 des Club Transatlântico war beschlossene Sache. Ich würde mich nicht auf der Zielgeraden geschlagen geben, nicht nachdem ich bereits so viele Herausforderungen bewältigt hatte. Es sollte doch wohl zu schaffen sein, mein Vorhaben schriftlich zu formulieren, auch wenn sich meine portugiesischen Texte bis zu diesem Zeitpunkt auf Textnachrichten und kurze E-Mails beschränkt hatten.
Ich hatte Menschen, die das Grün in die Stadt bringen, portraitiert. Die bildeten drei Sektoren ab. Der Carregador, der auf dem CEASA, dem Blumenmarkt, Pflanzen und Blumen zum Endkunden bringt, repräsentierte den kommerziellen Sektor. Genivaldo, der Gärtner aus Leidenschaft, stand für den privaten Sektor und der Arbeiter von DEMAX, dem Dienstleister der Prefeitura, veranschaulichte die Aktivitäten im öffentlichen Sektor.
Es dauerte einige Stunden, bis ich den eineinhalb Seiten langen Text geschrieben hatte. So qualvoll die waren, schickte ich meine Ausführungen – nicht ohne einen gewissen Stolz – an meine Lektorin, eine Muttersprachlerin, mit der ich mich regelmäßig zum Sprachaustausch treffe.
Selbst wenn sie kein gutes Haar an meinem Text lassen würde: Ich hatte meinen ersten längeren, komplexen Text auf Portugiesisch zu verfassen. Als ich kurze Zeit die korrigierte Textdatei öffnete, war ich begeistert, denn die Fehler waren überschaubar.
Wenn der gesamte Wettbewerb so schnell und unkompliziert verlaufen wäre, wie die Eingabe der Korrekturen! Ein einfaches Stichwort – der Hinweis darauf, dass die Wettbewerbsfotos eine schlüssige Geschichte erzählen sollten – hatte mich zur Teilnahme bewogen. Das hätte ich leichter haben können, indem ich einfach eine Geschichte schreibe, zu welchem Thema auch immer. Und doch bin glücklich und dankbar, dass ich die Herausforderung des III Prêmio de Fotografia 2012 angenommen habe, denn die gemachten Erfahrungen, mögen sie in den jeweiligen Momenten noch so aufreibend gewesen sein, möchte ich um keinen Preis missen.