Meteorologisch hat er am 20. März begonnen, doch langsam zieht er tatsächlich ein. Es wird Herbst in der Megacity. Fast poetisch die Überschrift des Wetterberichts in diesen Tagen: “Friozinho na madrugada em São Paulo” oder auch „kühl im Morgengrauen in São Paulo“. Von der “ar polar”, der Polarluft, zu Wochenbeginn wird berichtet, von Nebel und viel Regen am Wochenende.
Jeden Morgen blicke ich gespannt auf den Computerbildschirm, der die jeweils aktuellen Temperaturen in Berlin und São Paulo ausweist. Noch liegt die Megacity zu meiner Freude jeden Tag vorn, wenn auch manchmal nur um ein Grad. Doch das wird sich wohl leider ändern. Da heißt es Vorbereitungen treffen, insbesondere, nachdem es uns im vergangenen Jahr eiskalt erwischt hat.
Also machten wir uns am vergangenen Sonntag, einem verhangenen, verregneten, kalten Tag, auf, um das Angebot mobiler Heizkörper genauer unter die Lupe zu nehmen, denn, da waren wir einig, wir brauchten eine Alternative zu unserem kleinen Heizstrahler aus dem Vorjahr, dessen Wirkung eher psychologisch, als denn tatsächlich messbar ist.
Unterschiede gibt es in unserem Temperaturempfinden, denn während mein Mann mit Jeans, Polohemd und Segelschuhen bekleidet war, trug ich über einem T-Shirt bereits einen leichten Baumwollpullover, einen Balzer und Stiefel. Damit war auch ich fast noch spätsommerlich gekleidet, denn im Shopping und in einem Restaurant, das wir im Anschluss besuchten, trugen viele bereits kuschelige Winterpullover, Fellstiefel und dicke, mit Pelz besetzte Jacken – bei Temperaturen um 18 Grad.
Noch vor 15 Monaten hätte ich angesichts der bei diesen Temperaturen weit verbreiteten Winterbekleidung wohl den Kopf geschüttelt. Jetzt war ich ein wenig verwundert, doch früher oder später werde ich wohl zu ähnlichen Maßnahmen greifen.
Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sich das Temperaturempfinden ändern kann, wobei ich nicht behaupten möchte, dass ich von je her besonders positiv auf kühle Temperaturen regiert hätte. Eine Freundin, die ich im vergangenen Dezember im winterlichen Berlin besuchte, nachdem sie zwanzig Jahre in den Subtropen gelebt hatte, steckte die kühlen deutschen Temperaturen überraschend gut weg. Nie habe sie so unglaublich gefroren wie in Brasilien, erklärte sie. In Deutschland könne man mit ärgsten Temperaturen gut zurechtkommen, durch ausgezeichnet abgedichtete Fenster und exzellente Heizungssysteme. Recht hat sie, denn wenn hier das Thermometer eine Woche um die 18 Grad anzeigt, kühlen die heizungsfreien Wohnungen mit ihren undichten Fenstern unangenehm ab.
Zu unserer Überraschung war das Angebot an Heizgeräten, das sich uns am vergangenen Sonntag präsentierte, überschaubar. Nachdem wir uns im vergangenen Jahr, in der Mitte der Heizsaison, schwergetan hatten, einen adäquaten Apparat zu finden, waren wir davon ausgegangen, dass wir bei frühzeitiger Suche aus dem Vollen schöpfen könnten.
Dass dem nicht so war, könnte vielleicht auch einfach daran liegen, dass das Angebot als solches nicht wirklich groß ist. Zum Betrieb in Apartmenthäusern gibt es die “Aquecedores de ambiente à óleo”, die Ölheizungen auf Rollen, die “Aquecedores de ambiente elétrico ou cerâmico”, die kleinen elektrischen oder Keramik-Heizöfen, und eingebaute oder mobile Klimaanlagen, die “Ar-condicionados”, die, je nach Bedarf, kalte oder warme Luft spenden.
Wir entschieden uns für eine knapp hüfthohe mobile Klimaanlage, in der Hoffnung, dass diese stark genug ist, um unser riesiges Wohnzimmer bei empfindlicher Kälte entsprechend aufzuheizen und uns an tropischen Sommertagen Kühle zu spenden.
Im Auto dann die Schrecksekunde. Auf die Steckerform, die hier in Brasilien erheblich variiert, hatte ich geachtet, doch nicht auf die übrigen technischen Details. Welche Spannung wird das gute Stück wohl haben? Kann das Gerät nur an besonders abgesicherten Steckdosen betrieben werden? Fragen über Fragen, die mich vor dem Hintergrund der im vergangenen Jahr „explodierten“ Ölheizung, unserem ersten Versuch in Sachen Heizung in Brasilien, umtrieben.
Dieses Mal wollte ich auf Nummer sicher gehen und ging alle technischen Angaben mit meiner Sprachlehrerin durch, die ihrerseits vorschlug, den Service anzurufen, um wirklich kein Risiko einzugehen.
Als ich meinem Mann am Telefon von dem Termin mit dem Servicetechniker, der für den Folgetag vereinbart war, berichtete, war der fassungslos. Wo denn das Problem sei, wollte er wissen, warum ich das Gerät nicht einfach in die Steckdose stecken würde.
Nachdem ich wortreich meine Motive dargelegt hatte, ließ ich es nach unserem Telefonat einfach darauf ankommen. Im schlimmsten Fall könnte der Servicetechniker sich morgen des Geräts annehmen. Und siehe da: Unsere mobile Klimaanlage funktioniert, sogar an allen Steckdosen. Und wie: Nach kurzer Zeit mussten wir sie wieder ausschalten, denn es war geradezu subtropisch warm geworden.